Landesgesetz über Begleitmaßnahmen für den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Oö. Brexit-Begleitgesetz)

Auf einer Europakarte stehen mehrere weiße und schwarze Schachfiguren sowie eine EU-Flagge und eine Flagge des Vereinigten Königsreichs Großbritannien und Nordirland

Quelle: tanaonte, Adobe Stock

Ziel und wesentlicher Inhalt dieses Gesetzes ist, für den möglichen Fall eines EU-Austritts Großbritanniens ohne Austrittsvertrag rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, um Härtefälle zu vermeiden und die Rechte der in Oberösterreich lebenden britischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu bewahren.

Am 7. März 2019 hat der Oö. Landtag das Landesgesetz über Begleitmaßnahmen für den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Oö. Brexit-Begleitgesetz), (einstimmig: ÖVP-, FPÖ-, SPÖ-Fraktion und Fraktion der GRÜNEN) beschlossen.

Weiterführende Informationen

Bei einem Referendum, das am 23. Juni 2016 im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland stattfand, sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung für das Ausscheiden dieses Mitgliedstaats aus der Europäischen Union ("Brexit") aus. Am 29. März 2017 teilte die britische Premierministerin dem Europäischen Rat gemäß Art. 50 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) mit, dass das Vereinigte Königreich beabsichtige, aus der Union auszutreten; mit diesem Zeitpunkt begann die zweijährige Verhandlungsfrist zur Regelung des Austritts zu laufen.

Sofern nicht gemäß Art. 50 Abs. 3 EUV eine Verlängerung dieser Frist beschlossen wird, scheidet Großbritannien mit dem Ablauf des 29. März 2019 aus der Europäischen Union aus; Großbritannien wird dadurch im Verhältnis zur Europäischen Union zu einem Drittstaat, auf den das Recht der Union nicht mehr anwendbar ist.

Gegenstand der Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU war ein geregelter Austritt auf Basis eines Austrittsabkommens ("Deal-Brexit"), das die künftigen Beziehungen regelt und insbesondere einen längeren Übergangszeitraum vorsieht. Da die Annahme dieses Abkommens durch das britische Parlament jedoch bereits einmal im Jänner 2019 gescheitert ist und daher äußerst unsicher ist, müssen auch auf Landesebene Vorkehrungen für einen möglichen abkommenslosen Austritt Großbritanniens getroffen werden.

Im Mittelpunkt der oberösterreichischen Regelung zur Begleitung eines No-Deal-Brexits steht vor allem die Rechtsstellung solcher britischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die zum Zeitpunkt des Austritts auf Grund ihres Wohnsitzes oder ihrer beruflichen Tätigkeit in den Anwendungsbereich des oberösterreichischen Landesrechts fallen; ohne Begleitregelung würden diese mit einem Schlag als Drittstaatsangehörige gelten, denen von den meisten Landesgesetzen keine oder nur sehr eingeschränkte Rechte zugestanden werden.

Maßgebliche Faktoren für die Regelung der Rechtsstellung dieser Personengruppe sind zum einen die Behandlung von im Vereinigten Königreich ansässigen österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern und zum anderen das Vorgehen der Union und ihrer Mitgliedstaaten in dieser Frage.

Die britische Regierung hat wiederholt zugesichert, dass Bürgerinnen und Bürger aus EU-Mitgliedstaaten auch im Fall eines No-Deal-Brexits weiterhin in Großbritannien verbleiben dürfen und ihre dortigen Rechte geschützt werden (vgl. Department for Exiting the European Union; Policy Paper "Citizens' Rights - EU citizens in the UK and UK nationals in the EU", Rz. 4 und 7). Damit korrespondierend forderte die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten dazu auf, "in Bezug auf die Rechte von Bürgern des Vereinigten Königreichs, die bereits in ihrem Hoheitsgebiet ansässig sind, großzügig [zu] verfahren" (Mitteilung "Vorbereitung auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union am 30. März 2019: Ein Aktionsplan für den Notfall", COM(2018) 880 final vom 13.11.2018, S 7).

Als Ergebnis dieser Erwägungen und der Intention folgend, dass der EU-Austritt nicht zu Lasten von großteils schon lange in Oberösterreich lebenden britischen Bürgerinnen und Bürgern ausgetragen werden soll, ist es angezeigt, Härtefälle zu vermeiden und - zeitlich befristet - eine grundsätzliche Gleichstellung mit Angehörigen eines EU-Mitgliedstaats vorzunehmen.

Eine konkrete legistische Betroffenheit des Landes ergibt sich in erster Linie im Dienstrecht der Landes- und Gemeindebediensteten, dem landesrechtlich geregelten Berufsrecht, dem Berufsqualifikationsanerkennungsrecht und dem Sozialrecht. Ohne ein begleitendes Landesgesetz würden die Dienstverhältnisse der im öffentlichen Dienst des Landes bzw. der Gemeinden beschäftigten britischen Bürgerinnen und Bürger als aufgelöst gelten; eine Tätigkeit in landesrechtlichen Berufen und die Anerkennung von Diplomen und Zeugnissen wäre großteils  nicht mehr möglich. Auch die Gewährung bestimmter Sozialleistungen wäre ohne eine besondere Regelung ausgeschlossen. Alleine im öffentlichen Dienst des Landes bzw. der Gemeinden sind 18 britische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger beschäftigt; die Zahl der in Oberösterreich wohnhaften bzw. in anderen Sparten beruflich tätigen Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs, deren Rechtsstellung von diesem Gesetz geregelt wird, ist daher im Ergebnis nicht zu vernachlässigen.

Zur Regelungsform ist anzumerken, dass eine Anpassung des Landesrechts an einen No-DealBrexit entweder durch eine aufwändige Änderung jedes einzelnen betroffenen Landesgesetzes im Rahmen eines Sammelgesetzes oder durch eine Generalklausel in einem für das gesamte Landesrecht geltenden Horizontalgesetz möglich ist. Aus Gründen der Vollständigkeit, der juristischen Sicherheit und der legistischen Effizienz wurde die zweite Variante gewählt. Darüber hinaus garantiert ein Horizontalgesetz eine einfache Eingliederung der Brexit-Sonderregeln ins Landesrecht ebenso wie deren leichtere Entfernbarkeit, wenn sie nach Ablauf einer Übergangsfrist nicht mehr erforderlich sind. Diesem Gedanken folgend ist die Geltungsdauer dieses Landesgesetzes mit fünf Jahren beschränkt ("sunset legislation"). 

Als wesentliche Punkte dieses Gesetzentwurfs sind somit anzuführen:

  • Vermeidung von durch den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs ausgelösten Härtefällen;
  • grundsätzliche Gleichstellung britischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die zum Zeitpunkt des Austritts auf Grund ihres Wohnsitzes oder ihrer beruflichen Tätigkeit in den Anwendungsbereich des oberösterreichischen Landesrechts fallen, mit Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern;
  • Gleichstellung von Berufsqualifikationen, die derzeit im Vereinigten Königreich durch laufende Ausbildungen erworben werden.

Wenn Sie Fragen dazu haben, wenden Sie sich bitte an: