Kampf den Paragraphen: Erste Vorschläge für Deregulierung Verwaltungsgerichtshofpräsident Dr. Rudolf Thienel übergeben

Landeskorrespondenz

(LK) Mehr als 18.500 Fragebögen mit knapp 22.600 Vorschlägen wurden im Zuge der Deregulierungsinitiative des Landes Oberösterreich „Kampf den Paragraphen“ von den Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern zurückgeschickt. Diese Vorschläge werden gerade geprüft und kategorisiert. Neben den thematischen Bereichen werden sie auch der jeweiligen Zuständigkeit, ob Europäische Union, Bund und Land zugeordnet. Bei einem Termin mit dem Vorsitzenden der Deregulierungskommission des Bundes, Verwaltungsgerichtshofpräsident Dr. Rudolf Thienel, hat Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer gemeinsam mit Landesamtsdirektor Dr. Erich Watzl die ersten Vorschläge aus der großen Bürgerbefragung, die die Bundesgesetzgebung betreffen, übergeben.

„Mehr Eigenverantwortung und weniger Regulierung muss unser Ziel sein. Wir brauchen den Mut zur Lücke, um insbesondere das Wirtschaften wieder attraktiver zu machen. Derzeit besteht ein Dschungel an Vorschriften, der mehr bremst und für viele demotivierend wirkt“, betont Landeshauptmann Pühringer. Im Gespräch mit Präsident Thienel hat Landeshauptmann Pühringer mit Nachdruck eine rasche Deregulierung gefordert. „Wir nehmen die Vorschläge der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher ernst. Wir werden auch auf Bundesebene darauf achten, dass die Vorschläge geprüft und wenn möglich umgesetzt werden“, kündigt Pühringer an.

Jene Vorschläge, die die Europäische Union betreffen, werden in den nächsten Wochen an die zuständigen Stellen der EU übergeben werden. Die Anregungen, die die Landesgesetzgebung betreffen, werden bereits von den jeweiligen Experten geprüft. „Wir wollen in den nächsten Wochen und Monaten konkrete Umsetzungsmaßnahmen präsentieren, wie wir Vorschriften in unserem Land verringern. Deregulierung ist und bleibt eine Daueraufgabe. Wir müssen uns bei jeder Gesetzesinitiative fragen, ob diese notwendig ist oder nicht“, stellt Pühringer abschließend fest.

Bei den Rückmeldungen der Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern handelt es sich um Ideen und Maßnahmen sowie konkrete Vorschläge zur Deregulierung. Im Anschluss Beispiele für Vorschläge der oö. Bürgerinnen und Bürger, die heute Präsident Thienel übergeben wurden:

Ideen und Maßnahmen:

  • Umfassende Verfahrenskonzentration bei Mehrfachzuständigkeiten: Sobald für ein Projekt bzw. eine Anlage mehrere behördliche Zuständigkeiten bestehen (also Gemeinde (z.B. Bauordnung) und/oder Land (z.B. Naturschutz, Straßenrecht] und/oder Bund (z.B. Gewerbe-, Wasserrecht, Denkmalschutz) ist/wird (automatisch oder auf Antrag der Bewilligungswerberin/des Bewilligungswerbers) allein die Bezirksverwaltungsbehörde oder die Landesregierung als verfahrensleitende Behörde zuständig, die ihrerseits die Angelegenheit auf die Bezirksverwaltungsbehörde delegieren kann, wenn sich die Angelegen¬heit wegen ihrer Auswirkungen auf den Bezirk beschränkt.

Die verfahrensleitende Behörde trägt die ausschließliche Verantwortung nach außen. Soweit die eigene Fachkunde dieser Behörde für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit nicht ausreicht, sind andere Behörden intern zu beteiligen, deren Einschätzung letztlich aber nicht bindet.

Der Bescheid der verfahrensleitenden Behörde deckt alle behördlichen Aspekte für alle Ebenen ab (z.B. Errichtung eines Sportplatzes mit einem Sportplatzbuffet).

Dieser Ansatz gilt auch für sämtliche staatliche Kontrollen in diesem Bereich. Sie sollen ebenfalls grundsätzlich ausschließlich von einer verfahrensleitenden Behörde wahrgenommen werden.

  • Rahmengenehmigungen: Bei Projekten werden grundsätzlich nur mehr der äußere Umfang, Emissionsgrenzen und der zulässige Verbrauch bestimmter Ressourcen gesamtheitlich behördlich festgelegt. Gebäudefluchtlinien und Höhen, Grenzwerte, Betriebszeiten etc. werden nicht für einzelne Anlagen sondern für einen gesamten Standort bzw. nach der Betriebstype (Gesamtemission) bestimmt. Einzel- und Änderungsgenehmigungen innerhalb des damit festgelegten Rahmens entfallen; die gesamte „interne“ Gestaltung innerhalb des Rahmens ist frei.
  • Verzicht auf Meldepflichten: Alle Meldepflichten (einschließlich solcher, die in Bescheiden als Auflagen vorgesehen sind) sind auf deren unbedingte Notwendigkeit hin zu prüfen und – soweit unabdingbar – soll dabei jedenfalls die Meldung an eine Behörde ausreichen.
  • Verlängerung (behördlicher) Kontroll- und Überprüfungsfristen: Alle Kontroll- und Überprüfungsfristen (einschließlich solcher, die in Bescheiden als Auflagen vorgesehen sind) sind auf deren unbedingte Notwendigkeit hin zu prüfen.

Konkrete Vorschläge:

  • Straffung der Behördenorganisation/Zusammenführung von behördlichen Aufgaben durch möglichst weitgehende Konzentration der Zuständigkeiten bei den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung. Behörden/Organisationseinheiten mit gleichen Aufgabenfeldern sollten zusammengeführt werden, wie dies etwa erfolgreich bei der Bundesstraßenverwaltung passiert ist; die bundesbehördlichen Strukturen auf Landesebene könnten in die entsprechenden Landesbehörden (Ämter der Landesregierungen) eingegliedert und so Doppelgleisigkeiten vermieden werden. Dies betrifft etwa folgende Bereiche:
  • Arbeitsinspektorat
  • Bundesdenkmalamt
  • Bundeswasser(bau)verwaltung (ausgenommen die Donau) und Gewässerschutz, insb. Wildbach- und Lawinenverbauung
  • Bundessozialamt
  • Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen
  • Entfall der Notwendigkeit der Kfz-Ummeldung bei bloßem Wohn-sitzwechsel (§ 42 Abs 1 KFG; Strafbestimmung § 134 Abs 1 KFG). Eine entsprechende Bestimmung im Führerscheingesetz wurde 2008 mit der Begründung aufgehoben, dass die Wohnsitzinformationen ohnehin über das Zentrale Melderegister zur Verfügung stehen. Wenn die Verpflichtung im FSG im Hinblick auf das Zentrale Melderegister entfallen kann, muss auch im KFG möglich sein. Allenfalls kann die Änderung der Wohnsitzdaten auch direkt von den Versicherungen (denen die Wohnsitzänderung wegen der Pflichtver-sicherung zu melden ist) direkt vorgenommen werden. Eine echte Ummeldung des Kfz, mit allfälligem Austausch des Kfz-Kennzeichens ist nicht nötig.
  • Genehmigungsfreistellungsverordnung (§ 74 Abs 7): Von der Möglichkeit der Genehmigungsfreistellung soll stärker Gebrauch gemacht werden. Die zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Begutachtung stehende 2. Genehmigungs-freistellungsverordnung wird ausdrücklich begrüßt. Es sollen jedoch weitere Arten von Betriebsanlagen betriebsanlagenrechtlich genehmigungsfrei gestellt werden. Dieses verfahrensvereinfachende Instrument soll genutzt werden, um die derzeit erforderlichen, sich überschneidenden Mehrfachgenehmigungen in den Bereichen Gewerberecht/Veranstaltungsrecht/Baurecht, welche sowohl für die Antragsteller bzw. betroffenen Personen als auch für die Behörden einen enormen Verwaltungsaufwand bedeuten, zu reduzieren. Es ergeht daher der Vorschlag, jene Anlagen, für die bereits eine Baugenehmigung und eine Veranstaltungsstättenbewilligung vorliegen, mittels Freistellungsver¬ordnung nach § 74 Abs 7 GewO 1994 von dem Erfordernis einer gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung zu befreien.

Neben dieser Freistellung, die auf bereits vorhandene Genehmigungen abstellt, sollte für die konkrete Kategorie so genannter "Mehrzweckhallen" bzw. "Mehrzwecksäle", wie beispielsweise Gemeindesäle, Pfarrsäle, Volkshäuser, eine gewerberechtliche Genehmigungsfreistellung erfolgen.

  • Straßenverkehrsordnung 1960: Prüfung der Erforderlichkeit von Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs nicht mehr im 2-Jahres-Intervall, sondern für einen längeren Zeitraum (etwa 5 Jahre), vgl § 96 Abs 2.
 

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